Burning Man 2017

Die Realisierung unserer sozialen Skulptur

16 TAGE IN DER WÜSTE

ARRIVAL

Aus San Francisco, USA machen sich zwei Autos und ein Lkw kolonnenartig auf den Weg in Richtung Nevada.

Berge ziehen an uns vorbei. Die Sonne zeichnet sich hinter den Umrissen des Horizonts ab. Die Stimmung im Auto ist angespannt. Der Kofferraum ist voll mit Baumaterialien, Campingausrüstung und Verpflegung für die 16 Tage in der Wüste. Wird alles wie geplant funktionieren? Welche extremen Umweltbedingungen kommen auf uns zu? Wie gestalten sich die Tage in der Wüste? Was kann man vom Burning Man, dem wohl verrücktesten und ausgefallensten Kunstfestival der Welt, erwarten? Das sind einige der tausend Fragen die durch unsere Köpfe geistern.

Die Umgebung wird immer kahler, Pflanzen sind nur noch wenige in der Dunkelheit zu erkennen. Wir nähern uns der Black Rock Desert. Neben uns taucht ein bunt beleuchteter Stand am Straßenrand auf. Wir erhaschen einen Blick auf blinkende Leopardenmäntel, Lichterketten in allen Farben und ausgefallene Latex-Kleidungsstücke. Ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Tagen auf uns zukommen wird.

Wir biegen nach rechts auf eine schmale Straße ab. Zu beiden Seiten erstreckt sich der rissige Boden einer ehemaligen Salzwüste. Bunte Fähnchen leiten uns den Weg. Wir kommen zum „Check-In“. Hier werden in den nächsten Tagen 64.000 Besucher ihre Tickets abholen. Nachdem wir uns angemeldet haben, dürfen wir mit 10 Meilen pro Stunde auf das Festivalgelände fahren. Es kostet einige Zeit bis wir uns auf den als Uhr angeordneten Sektoren zurecht gefunden haben. 2:45, Dance. Unsere Adresse für die nächsten Wochen.

Wir kommen an unserem abgesteckten Camp an. Es ist stockdunkel und kalt. Schnell werden die Zelte aufgebaut, Schlafsäcke entrollt und der Tag geht so abrupt zu Ende, wir er angefangen hat.

DAY 1

Es ist kaum zu beschreiben wie sich die Temperatur schlagartig erhöht, sobald die Sonne über der Wüste aufgeht. Im Halbschlaf schieben sich die ersten Teammitglieder aus ihren Zelten. Der Anblick ist überwältigend. Meilenweit erstreckt sich der harte Wüstenboden. Vereinzelt sieht man andere Camps, einige Autos und schweres Baugerät. Im Hintergrund erhebt sich der Black Rock Mountain und gibt der surrealen Landschaft ihren finalen Schliff.
Lange können wir nicht in diesem Anblick verweilen, es gibt viel zu tun.
Nach einem ausgewogenen „Dosen-Fertigessen-Frühstück“ machen wir uns auf den Weg, um unseren Platz für das Desert Eyes zu finden. 15 Gehminuten von unserem Camp in Richtung der Burning Man Statue, die den Mittelpunkt des Festivals markiert, ragt ein kleiner Nagel mit bunten Plastikfäden aus dem Boden. Tatsächlich der Punkt, an dem in einer Woche unser Projekt, auf das monatelang hingearbeitet wurde, realisiert werden soll. Materialien werden abgeladen, der Generator wird aufgestellt und befüllt. Schnell wird klar, dass ein Arbeiten unter der Mittagssonne kaum möglich sein wird. Rückkehr zum Camp. Ein Plan für die kommenden Tage wird entworfen und alle nehmen sich etwas Zeit um sich „einzurichten“.
Gegen Abend werden die Materialien weiter sortiert, die Baubeleuchtung am Projektplatz wird installiert und nebenbei geht der erste Tag zu Ende.

DAY 2

Beim Aufstehen wird langsam klar, wie viel Energie der Körper braucht, um mit 42 Grad und intensivster Sonne fertig zu werden. Alle sind müde und erschöpft. Die Zeit drängt, also werden die Trinkbeutel gefüllt, Sonnenbrillen und Staubschutz aufgesetzt und alle marschieren Richtung Baustelle. In der Nacht sind weitere Camps angekommen und langsam bekommt man ein Bild davon, welches Ausmaß das Festival haben wird. Heute beginnt der Aufbau der Holzstruktur. Die einzelnen Teile müssen ineinander gesteckt, verschraubt und gestützt werden. Diese Arbeit kostet viel Kraft. Mittlerweile scheint die Empfehlung, 5 Liter Wasser am Tag zu trinken niemandem mehr übertrieben oder abwegig. Mittagspause. Still sitzen alle in ihren Campingstühlen und versuchen mit der Hitze fertig zu werden.

Als die Sonne langsam hinter dem Gebirge verschwindet, begibt sich das Construction Team erneut zum Dome, um das Grundgerüst Stück für Stück Richtung Himmel zu bauen. Die letzte Schraube wird tief in der Nacht befestigt.

 

DAY 3

Radical self-expression. Eines der geheimnisvollen 10 Prinzipien des Burning Mans taucht zum ersten mal in Form eines nackten Fahrradfahrers mit Zylinder und Cape auf, der beim Frühstück freundlich winkend an uns vorbeifährt. Die Stimmung lockert sich allmählich etwas auf. Die „Schlafzeit“ konnte mit Hilfe von silbernen Rettungsfolien, die an den Seiten unserer Zelte angebracht wurden um 30 Minuten verlängert werden. Der Aufbau geht weiter. Heute werden Löcher in die Röhren gebohrt. Die Röhren in der Holzstruktur zu verankern braucht Zeit und Konzentration. Auf den wackeligen Leitern arbeiten drei Leute gleichzeitig, um möglichst effektiv und schnell voran zu kommen. Am Abend wird klar, dass wegen der Hitze am Mittag und der allgemeinen Erschöpfung der ursprüngliche Zeitplan nicht erfüllt werden kann. Zumindest wurde im Camp heute ein provisorischer Schattenschutz in Form einer großen, gespannten Plane aufgebaut.

DAY 4

Das Einsetzen der Röhren geht weiter. Während das Electric Engineering Team ihre Current Mirrors, die Steuerungseinheiten der Lichttechnik verbauen, nimmt der Dome langsam Gestalt an. Am Horizont fegt ein kleiner Wirbelsturm durch einige Camps, in der anderen Richtung ertönt Musik. Heute ist der erste Tag, an dem sich die Mentalität der Festivalbesucher zeigt. Als die Sonne langsam verschwindet, erklingen Jubelschreie von überallher. Heute kamen viele Burner vorbei um sich über unser Projekt zu erkundigen und uns kennen zu lernen. Neben unzähligen Umarmungen gab es selbstgemachte Pralinen und kaltes Bier. Jedem von uns wird klar, dass jegliche soziale Konventionen und Regeln nicht länger gültig sind.
Tages-Resümee: Erste Freundschaften sind geschlossen, die Röhren sind angebracht, drei Tage bis Festivalbeginn.

DAY 5

„Ich brauche die Kamera aus dem Auto!“, „Wer hat den Autoschlüssel?“, „…“ Nachdem wir mit dem Einsetzen der Verkleidung begonnen haben, stehen wir vor dem ersten Problem für heute. Unser Mietwagen aus San Francisco steht mitten auf dem Playa und Auto- und Ersatzschlüssel liegen auf dem Rücksitz. In der Sonne einen kühlen Kopf zu bewahren gleicht einem Wunder. Mit dem Zeitdruck im Nacken, der Auflage, dass Autos zu einer bestimmten Zeit das offene Gelände verlassen haben müssen und der Tatsache, das der Autoverleih 318 Meilen weit entfernt ist, versuchen wir uns eine Lösung zusammenzureimen. Es gibt noch ein Prinzip des Burning Mans, „The Playa provides“- Der Playa kümmert sich. Wir fragen einige Burner nach Hilfe und tatsächlich, eine halbe Stunde später fuhr ein schwarzer SUV vor. Der bärtige Fahrer steigt aus, greift unter die Karosserie seines Wagens und bringt Werkzeug hervor, mit dem er uns innerhalb weniger Minuten das Auto öffnet. Etwas fassungslos bedanken wir uns, bringen den Ersatzschlüssel in Sicherheit und spüren zum ersten Mal, dass hier jedem Hilfe zu Teil wird, der danach fragt. Zuversichtlich fahren wir mit dem Zusammenbau fort. Die LEDs werden in die Röhren geklebt, die nächsten Panels werden eingelassen und befestigt. Nachdem die Sonne untergegangen ist, stehen wir vor einem neuen Problem. Wir haben kein Benzin mehr für unseren Generator. Da wir die Nacht aber brauchen würden, um rechtzeitig fertig zu werden, kommt ein Abwarten bis zum nächsten Tag nicht in Frage. Ohne lang zu verzweifeln gehen wir zum nächstgelegenen Kunstwerk, dem „Big Cheese“. Dort treffen wir auf einen Mann, der sich uns als Robert Stack vorstellt. Nachdem wir ihm unser Problem erklärt haben, sagt er uns, wir sollen unser Auto holen. Ein paar Minuten später fahren wir gemeinsam mit Robert durch die blinkenden Camps und schier endlosen Straßen. Wir halten vor einem Wohnwagen und Robert erklärt uns, er habe einen Notvorrat Benzin für sein Camp. Wie selbstverständlich übergibt er uns den Benzinkanister, sagt, dass er sich freuen würde wenn wir den Kanister morgen gefüllt zurück bringen würden und dass er ja dafür da sei, zu helfen. Mit einem vollen Kanister und einem gewonnenen, wunderbaren Freund machen wir uns auf den Weg zurück zu den anderen. Bis spät in die Nacht wird am Dome gearbeitet. Gegen 3 Uhr Nachts schließen sich die letzten Zelte im Camp.

DAY 6

Der letzte Tag vor dem offiziellemn Festivalbeginn! Mittlerweile hört man rund um die Uhr Musik und die freie Sicht auf die Wüste wird von tausenden Zelten erschwert. Uns bleibt nicht viel Zeit zum entdecken. Früh morgens machen wir uns an die Arbeit. Nachdem die Elektronik verkabelt ist, helfen alle mit um die letzten Verkleidungen am Dome anzubringen. Durch das Gewicht, dass durch die Röhren und das Holz auf den Dome einwirkt, passen die exakt geschnittenen Hexagone nicht mehr in das Gerüst. Nach vielen mühsamen Versuchen, die Verkleidung mit Kraft in die vorgesehenen Lücken zu pressen, entscheiden wir uns dazu, die „Panels“ nach Augenmaß zuzuschneiden und an der Rückseite mittig einzuritzen um sie flexibler zu machen. Taumelig vor Erschöpfung und Anspannung fügen wir die letzten Stücke zusammen.
Lange nach Einbruch der Dunkelheit starten wir den ersten Testversuch.
In der Nacht des sechsten Tages wird das Innere des Domes zum ersten Mal mit Licht geflutet. 129 LEDs schicken ihre Strahlen in den Himmel und aus dem Mittelpunkt des Desert Eyes ertönt die projekteigene Musik.
Wir sind kraftlos, erschöpft, angespannt aber gleichzeitig unfassbar stolz und glücklich.

Am 27.09.2017 wurde Desert Eyes auf dem Burning Man Festival fertiggestellt.